Um das Abstillen zu verstehen, ist es wesentlich zu wissen, was die Milchproduktion anregt und was sie herunter reguliert:
Die Milchproduktion hängt im Verlauf der Stillzeit vor allem vom Füllungsgrad der Brüste und der Nachfrage ab. Je voller, praller eine Brust ist, desto weniger Milch wird gebildet. Und umgekehrt. An einer leeren Brust wir schneller wieder neue Milch nachgebildet, an einer häufig prallen Brust, reguliert sich die Milchmenge herunter. Dies passiert nicht sofort, sondern ist ein Prozess, der sich über einige Tage bis Wochen erstrecken kann und darf. Abhängig von der Speicherkapazität jeder Frau ist die maximale Füllmenge (die Milch sammelt sich in den Alveolen des Brustdrüsengewebes, die nicht beliebig ausdehnbar sind) unterschiedlich, da jede Frau unterschiedlich viel Brustdrüsengewebe hat. Diese Vorgänge werden hormonell geregelt.
Wenn der Abstillprozess zu schnell verläuft kann es leicht zu einem Milchstau kommen, daher ist es gut sich ein paar Wochen Zeit zu nehmen und nicht plötzlich abzustillen. Auch weil die hormonelle Umstellung bei manchen Frauen zu Stimmungsschwankungen führen kann. Aus diesem Grund werden auch medikamentöse Abstillmedikamente nicht mehr empfohlen.
Ein langsames Vorgehen empfiehlt sich auch im Hinblick auf das Kind, denn dieses hat etwas mehr Zeit seine Beikostmenge zu erhöhen, oder sich alternativ an eine Milch zum Trinken zu gewöhnen. Im ersten Lebensjahr wird hierzu PRE-Nahrung empfohlen oder auch bis zu 300ml Kuhmilch im Brei.
Abgepumpte Milch oder PRE-Nahrung kann aus einer Flasche gegeben werden, Wasser (das Getränk der Wahl für Kinder über 6 Monaten) kann in einem Becher angeboten werden. Hat ein Kind über 9 Monate hinaus große Schwierigkeiten mit der Beikost im Mund, wäre spätestens zu diesem Zeitpunkt zu klären, ob möglicherweise orale Restriktionen dafür verantwortlich sind. Mehr Informationen zum Beispiel hier.
So wie kein Lebensmittel die Milchmenge erhöht, so gibt es auch keines, was auf die Schnelle abstillt. Im Volksmund wird gerne Pfefferminze empfohlen, doch seine abstillende Wirkung wurde bislang nicht nachgewiesen und es gibt Regionen, in denen er als milchbildend gehandelt wird. Ein bis zwei Tassen Salbeitee wird nachgesagt, dass sie das Abstillen unterstützen können, aber die Informationen dazu sind sehr uneindeutig.
Wenn man bedürfnis- und bindungsorientiert die Stillbeziehung gestalten oder verändern will, hat man die kniffelige Aufgabe, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und darauf zeitnah und feinfühlig einzugehen, andererseits entsteht durch das eigene Bedürfnis nicht selten ein Konflikt, der sich nicht einfach lösen lässt.
Bindungs- und bedürfnisorientiert zu sein ist natürlich unabhängig vom Stillen!
Wikipedia: 'Unter 'Attachment parenting' (deutsch auch bindungsorientierte/bedürfnisorientierte Erziehung) versteht man eine Erziehungslehre, deren Methoden darauf ausgerichtet sind die Mutter (ich ergänze: die Eltern)-Kind Bindung dadurch methodisch zu fördern, dass die Mutter (ich ergänze: der Vater/die Eltern) sich dem Kind gegenüber nicht nur maximal responsiv verhält/verhalten, also möglichst auf die Signale des Säuglings reagiert/reagieren, sondern auch möglichst viel Zeit in enger körperlicher Nähe mit dem Kind verbringt/verbringen. Der Begriff 'Attachment parenting' stammt von dem amerikanischen Kinderarzt William Sears.'
Wenn im Verlauf der Stillbeziehung ein Veränderungswunsch entsteht, der nicht vom Kind ausgeht, helfen folgende Fragen weiter:
- Was genau ist mein Bedürfnis?
- Was ist das Bedürfnis des Kindes?
- Möchte ich Abstillen, weil ich mich überlastet fühle? Wer könnte mich entlasten?
- Möchte ich, dass mein Partner/meine Partnerin mehr übernimmt? Was könnte sie/er außer dem Stillen gut übernehmen?
- Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es in meinem Umfeld oder meiner Region (Wellcome, Koki, Familie, Freunde)
- Stille ich manchmal, weil ich meine Ruhe will (zum Beispiel, weil ich gerade lieber telefonieren will und mir das Stillen ein bisschen Ruhe gibt? Darf das so bleiben?)
- Wie alt ist mein Kind? (Die Empfehlungen der WHO)
- Was ist die normale Entwicklung z. B. beim Schlafen, motorisch, emotional?
- Braucht mein Kind gerade jetzt die Brust, weil es viel Neues verarbeitet? (Beikostbeginn, Fremdelphase, motorische Entwicklung, Kita-Eingewöhnung...)
- Will mein Kind stillen, weil es gerade frustriert ist und es an anderer Stelle Unterstützung bräuchte?
- Will mein Kind stillen, weil das der einzige Moment ist, an dem ich nicht umher flitze um schnell was zu Erledigen?
- Ist mein Kind unsicher und sucht Schutz oder meine Aufmerksamkeit, weil ich nicht präsent bin oder zu viele Aufgaben habe?
- Stille ich, weil ich es genieße?
- Stille ich, obwohl es mir lästig ist?
- Will ich weniger stillen? Wie viel wäre für mich okay?
- Will ich vor allem nachts weniger stillen?
- Will ich weniger stillen, weil andere es erwarten? Partner/in, Großeltern, med. Personal, Kita?
- Will ich abstillen, weil mein Kind in die Kita kommt und nur an der Brust schlafen kann?
So individuell wie Menschen sind, so individuell ist auch die Stillbeziehung, die Du mit Deinem Kind hast. Um diese bedürfnisorientiert zu gestalten ist es klug die Bedürfnisse von beiden Seiten zu betrachten und ehrlich anzuschauen. Oft hilft es, wenn man mit den beteiligten Personen spricht. Wenn Du die Stillbeziehung mit Deinem Kind verändern willst, sollte das in einer Zeit sein, in der Du als Mutter mit Deinem Kind 'verhandelst', wie ihr das Stillen gestalten wollt. Es ist nicht schön, wenn Du Dich einfach aus dem Staub machst und z. B. dem Papa/der Partnerin diese Diskussion überlässt, während Du nicht da bist.
Die WHO empfiehlt Kinder mindestens die ersten 6 Monate voll zu stillen und darüber hinaus so lange wie Mutter und Kind das wünschen. Das bedeutet keinen Tee zu geben und PRE Nahrung nur in Absprache mit dem Arzt/der Ärztin, der Hebamme oder der Still- und Laktationsberaterin IBCLC. Folgenahrungen sind nicht notwendig. Falls nicht gestillt werden kann, oder dies nicht gewünscht ist bzw. zugefüttert werden muss, ist eine kuhmilchbasierte PRE Nahrung sinnvoll, außer die Ärztin/der Arzt empfiehlt eine alternative Nahrung, wenn eine Unverträglichkeit oder Allergie besteht. Wenn Du stillst und der Verdacht auf eine Allergie besteht, kannst Du weiter stillen und die Allergene weglassen (z. B. Kuhmilch, Erdnüsse, Fisch, Ei, Soja...). Muttermilchersatznahrungen aus pflanzlichen Proteinen sind weniger empfehlenswert, da sie einen höheren Eiweißanteil enthalten.
Wenn Du Dich konkret fürs Abstillen entscheidest und die oben genannten Fragen für Dich durchgegangen bist, können folgende Ideen hilfreich sein:
- Abklären, ob die Beikost angemessen ist (z. B. Menge, Nährstoffe, Fette, Zeiten...)
- Ist das Kind gerade gesund (Krankheitsphasen, Zahnen, Fremdelphase eignen sich nicht dazu weniger zu stillen oder abzustillen)
- Das Stillen nur noch an bestimmten Orten anbieten (z. B. an einem bestimmten Stillplatz zuhause und entsprechend mehr unterwegs sein)
- Ausreichend Beikost für unterwegs dabei haben
- Ein Stilllicht etablieren, das immer beim Stillen an ist, so dass sich Dein Kind daran orientieren kann. (Immer wenn dieses Licht an ist, stillt mich die Mama...)
- Eine Art 'Mantra' einführen, wenn nicht gestillt wird (z. B. 'der Busen hat Pause/schläft...') und dies mit einer Geste zu verstärken
- Möglichst lange Stillpausen einhalten, sodass die Brust den verminderten Bedarf verstehen kann und die Milchmenge sich innerhalb der nächsten Tage sanft anpassen kann.
Solche Umstellungen brauchen immer Zeit und es ist nicht zu erwarten, dass Kinder dies in 1-2 Tagen verstehen, daher ist eine Veränderung immer mit ausreichend Zeit zu erreichen, bis sie etabliert ist, etwa 14 Tage. Ein schrittweises Vorgehen bietet sich immer an und zu viele Veränderungen zeitgleich sind schwer (z. B. Abstillen und das Elternbett verlassen/Kitaeingewöhnung)
Kinder, deren Stillwunsch noch groß ist, und das ist auch bei größeren Kindern nichts Ungewöhnliches, werden ihre Trauer über diesen Abschied, der in diesem Fall von der Mutter ausgeht, äußern. Eltern können ihre Kinder in diesem Abschied unterstützen, indem sie viel Körperkontakt anbieten und ihr Kind trösten.
Es ist jederzeit möglich diesen Prozess zu unterbrechen, falls Du merkst, dass Dein Kind noch nicht so weit ist. Das bewirkt nicht, dass Dir Dein Kind für immer auf der Nase herumtanzt sondern zeigt, dass Du feinfühlig auf die Bedürfnisse Deines Kindes reagierst.
Die Brust kann auf Nachfrage wieder erneut Milch bilden.
Es gibt wenige Erkrankungen, die ein Abstillen erfordern, manchmal ist eine Stillpause erforderlich. Bei Unsicherheiten im Zusammenhang mit Medikamenten und medizinischen Untersuchungen lohnt eine Rücksprache mit Reprotox in den allermeisten Fällen.
Äußere Gründe, wie Kitaeingewöhnung, Uninformiertheit zur Schlafentwicklung, Paarkonflikte, der berufliche Wiedereinstieg, Urlaubspläne oder Familienfeiern sollten nicht als Abstillgründe dienen, außer es ist Dein Wunsch als Mutter.
Es ist immer sinnvoll, wenn Du Dir unsicher bist, Dich mit jemanden auszutauschen, der sich mit dem Stillen und dem Abstillen auskennt.